Seit meiner letzten mail sind jetzt schon wieder 2 Wochen vergangen und die Zeit geht so schnell vorbei, obwohl ich mich hier oft langweile und denke, dass meine Arbeit wenig Sinn macht. Vor allem die Abende die spaetestens um 7 Uhr beginnen und die wir aus Sicherheitsgruenden in unserer Wohnung verbringen muessen ziehen sich in die Laenge.
Diese Einschraenkung der Bewegungsfreiheit ist schon ein Handikap, aber wenn man alle Horrorstorrys glauben soll, die einem die Kenianer so erzaehlen, bleibt man doch lieber zu Hause.....
O.K. was ist in der letzten Zeit passiert: Nach unserer Fahrradtour war dieser Workshop von dem ich schon erzaehlt habe und wie erwartet ist nichts so gelaufen wie wir es geplant und erwartet hatten. Montags zu Beginn, waren die 2 Kollegen, die den Tag vorbereiten sollten natuerlich ”krank” und unser “Chef” hat dann ihren Teil uebernommen. Eigentlich wollten wir die Teilnehmer stark miteinbeziehen und den Workshop so interaktiv wie moeglich gestalten. Dieser Traum war dann aber schnell vorbei.
“Boss” hat die Jugendlichen mit einem Frontalunterricht mit zu schwiegigem Inhalt zugeballert und Antworten aus ihnen herrausgequetscht. Alles war also wie in der Schule und so verhalten sich die Jugendlichen auch. Hauptsache alles brav mitschreiben, Kritik, Fragen was ist das? Dieser Authoritaere Stil mit Jugendlichen umzugehen kann einen schon ziemlich wuetend machen und die entsprechenden Disskussionen kamen dann spaeter auch.
Das schwere daran ist, dass hier niemand seine Fehler eingestehen will, alles schoen geredet wird, Dinge sprachlich toll ausgeschmueckt werden koennen, aber die Umsetzung ein totales Gegenteil darstellt.Wir haben in unserem Teil des Workshops dann einige Rollenspiele gemacht, welche meiner Meinung nach auch dazu gefuehrt haben, dass die Jugendlichen sich ein wenig geoeffnet haben und selbststaendig ueber etwas disskutieren konnten. In der nachfolgenden Evaluation wurde uns dann gesagt, dass diese Spiele ja gut gewesen seien, wir aber viel zu wenig auf die Flipcharts geschrieben haetten.....
Naja die meiste Zeit denke ich, dass die Leute nicht kapieren, wo und wann man Prioritaeten setzen sollte. So sitzt der Kollege jetzt schon drei ganze Tage an einem Protokoll dieses Workshops, dass meiner Meinung nach ueberhaupt keinen Sinn hat, weil es sowieso nicht ausgedruckt werden kann, weil der Drucker nicht funktioniert und wenn man sich nicht selber reflektiert und natuerlich der ganze Workshop super war, was soll das dann schon bringen?!
Keine Ahnung ob das ueberhaupt jemanden von euch interessiert, es sind einfach diese Dinge die einen wuetend machen, man aber wiederum drueber nachdenkt und zu dem Schluss kommt, dass dies alles mit der Vergangenheit und dem System zusammenhaengt in dem die Menschen hier leben. Ausserdem kann man sich schwer voerstellen, wie man vor allem als Auslaender und in der kurzen Zeit solche Sachen veraendern koennte, und ob man ueberhaupt das Recht dazu hat....
Naja letzten Samstag hat die Kenianische Fussball Nationalmanschaft in der WM-Qualifikation gegen Tunesien gespielt, was natuerlich hohen Ausmerksamkeit in der Bevoelkerung hatte. Besonders war, dass die Fifa keine Zuschauer ins Stadion (welches ich von hier sehen kann) gelassen hat, weil vor kurzem ein Kind in diesem Stadion in der Menschenmasse ums Leben gekommen ist. Das und dass ihr Team so schlecht gespielt hat, hat die Kenianer natuerlich sauer gemacht und war neben der Entscheidung gegen oder fuer die neu vorgelegte Verfassung Hauptgespraechsthema in der letzten Zeit.
Sonntags waren wir dann mit ein paar Jungs in einer Wellblech-Kirche (sie hatten dort so eine Art Auftritt mit ihrer Pop-Hip-Hop Musik), die bei 35Grad mit Kinder vollgestopft war, die dachten sie koennten mit unkonntrolierbarem Geschrei den Teufel vertreiben. Abgefahrenes Erlebnis, vor allem der Pfarrer, der einem mit seinem “entweder-Jesus-oder-Teufel-und-ewiges-in-der-Hoelle-schmoren-Geschrei”, durch eine knarzende voll ueberdrehte Lautsprecheranlage echt Angst machen konnte. Wir sassen natuerlich auf den gepolsterten Stuehlen in der ersten Reihe waehrend die Kinder sich hinten auf die Holzbaenken quetschen mussten. War dann auch nicht so einfach dem Typ der sich grade so richtig in Rage geschriehen hatte zu erklaeren, dass wir nach doch nur ca. einer Stunde schon gehen wollten wobei der Platz doch so angenehm kuschelig war. “You can’t go now, you didn’t made a Testament!!! Oh Sorry but we have an important meeting now and time is not on our side, I’m really sorry!"
In den letzten Tagen haben uns die Jungs auch ein bisschen die Umgebung gezeigt und hier gibt es echt erstaunliche und erschreckende Dinge zu sehen. Direkt in unserer Nachbarschaft ist eine der groessten Muellhalden Nairobis. Dort wird alles verbrannt was man sich so vorstellen kann und Recycling wird nicht vom Staat betrieben, sonder von den Aermsten der Armen, die nach Plastik wuehlen, das man noch verscherbeln kann.Am Rand der Deponie kann man dann ueber einen Flohmarkt der besonderen Note (vor allem Geruchsnote) schlendern. Dort werden die “Luxusgueter” des Gefundenen verscherbelt, welche z.B. Einmalgewuerzstreuer aus Plastik, Plastikhandschuhe, Schuhsolen etc. sind.
Auch nicht weit von unserem zu Hause, befindet sich ein Wasserfall, der ja ganz schoen sein koennte, wenn er nicht in einem grossen Becken aus Schei... und allem moeglichen anderem Dreck, landen wuerde. Das war echt einer der ekelhaftesten Anblicke, was Dreck und Geruch angeht, den ich je in meinem Leben hatte. Das wirklich schreckliche daran ist dann aber, in diesem ekelhaften Schlamm ein Strassenkind mit Kleberflasche im Mund nach den oben erwaehnten Sachen wuehlen zu sehen, wo man ja weiss, dass man aus diesem Sumpf nicht ohne Krankheiten kommmen kann...
Immer wenn ich mit diesen Strassenkindern in Kontakt komme (Vor allem in der Stadt koennen sie ganz schoen penetrand an deinem Arm haengen und nach Geld oder Essen betteln!), ueberfaellt mich soetwas wie Hilflosigkeit und ich wuensche mir mein Projekt wuerde sich wirklich um diese Kinder handeln, so wie es in der Beschreibung stand. Ich weiss auch nicht warum mich diese Menschen denen es am schlechtesten geht und die am meisten von der Gesellschaft benachteiligt werden, so faszinieren, aber ich glaube einfach, dass diese Arbeit von so grossem Wert und einer Notwendigkeit ist, die seines Gleichen sucht.
Naja einer meiner Kollegen will versuchen die nun seit einem Jahr ruhenden Kontakte zu den Strassenkindern in Westlands (Stadtteil) und zu den Organisationen, die mit ihnen arbeiten, aufzufrischen um dieses Arbeitsfeld wieder in Seeds of Peace zu integrieren. Ich hoffe ich kann dann auch mehr ueber und von diesen Kindern lernen und erfahren, wie die Hilfe in einem Land wie Kenia gestaltet wird. Ausserdem schaffen es die kleinen Kinder, von denen hier viel zu viele rumlaufen, es ziemlich schnell mir ordentlich auf die Nerven zu gehen. Eigentlich hatte ich mir schon vor 6 Jahren nach einem Praktikum im Kindergarten vorgenomen nie wieder mit Kindern in diesem Alter zu arbeiten, jetzt umgeben sie mich wieder den ganzen Tag und ich kann nicht mal mit ihnen schimpfen oder sie verjagen, weil sie mich nicht verstehen.....
Themawechsel. Die vielen Steinbrueche, die sich in unserer Gegend befinden sind auch sehr interessant, weil dort mit purer Menschenkraft und primitivsten Material gearbeitet wird. Irgendwie erinnert es einen an die verbannten Steineklopfer in den Straflagern in vergangenen Zeiten, diese Arbeiter werden aber nicht von anderen Menschen gezwungen, sondern arbeiten freiwillig und wie ich von meinen Begleitern erfahren habe privat, also nicht fuer irgendeine Firma mit festem Gehalt und Versicherung usw. Am Mittwoch hatte Misa Geburtstag und es kamen 5 andere Mzungus aus anderen ASA-Projekten zu Besuch. Das war zur Abwechslung echt ganz nett, denn gerade der Austausch mit anderen Europaern ist wichtig um einige Dinge evtl. verstehen zu koennen die man hier so erlebt. Heute waren wir mit einigen Kindern und Jugenlichen im Schwimmbad, was ausser auf die zu kalten Temperaturen echt nett war. Die meisten von den Kinder koennen nicht schwimmen weil sie es nie gelernt haben. Ich bin vom 7,5m-Turm gesprungen!!! Am Montag haben wir ein Treffen mit den aelteren schwierigen Jugendlichen, von denen ich schonmal berichtet habe und wiedermal laesst die Vorbereitung zu wuenschen uebrig, weil Verabredungen und Verantwortlichkeiten nicht eingehalten werden.
Liebe Gruesse aus Lucky Summer Peter