Lars in Ghana
werte gefährten,
nach der legendären überquerung des gespenstischen volta, der abwehr
unbarmherzieger salmonellen und dem niederringen von killerwürmern mit
blosser hand, nach atemberaubenden trotro fahrten und holprigen mofetten
touren, nach ekstatischen tänzen mit vodoopriestern und feurigen
schönheiten, nach verbissener bauxit suche und ungestümen handgemengen
mit
projektpartnern, nach tagen höchsten triumphs und bitterster niederlage
ist
don larso in das reich des ewigen regens zurückgekehrt. bei seiner ankunft
im tempel der winde tobte die masse, männer grölten vor freude,kinder
heulten vor erregung, jungfrauen verloren reihenweise das bewusstsein. von
einer schar silberner elfen zum palast getragen wurde don larso vom könig
selbst zum ritter geschlagen und vom pabst heilig gesprochen....
naja, ganz so wars dann doch nich, undankbarer pöbel!
aber auf jeden fall bin ich wieder im lande, durstig und zu allen
schandtaten bereit....
schön gruss
Lars
GhanaNews 7.11.2005
Über eine Woche bin ich nun hier in Awaso, einem verlassenen Ort in der
Western Region. Eigentlich wollte ich mich am ersten Tag schon wieder aus
dem wortwörtlichen Staub machen, zu unfreundlich und düster wirkte das
Städtchen. Nach einigen Tagen begann ich mich aber schließlich an sie zu
gewöhnen, an die „Obroni“-Schreie, den Stromausfall, den abendlichen
Sturzregen, das Wäschewaschen mit Regenwasser, die Unmöglichkeit einer
normalen Konversation, die kaputte Klotür und den Yams mit scharfer
Pfeffersoße. Und es wurde mir wieder bewusst, wie europäisch Accra einem
erscheinen kann – gerade Accra, dieses laute, unübersichtliche,
stinkende
Chaos. Es wurde mir ebenfalls bewusst, wie fremd mir Ghana nach wie vor
bleibt, wie unüberbrückbar der Graben zwischen deutscher und ghanaischer
Mentalität manchmal erscheint.
Hier in Awaso bin ich ein Obroni, ein Weißer. Aber eigentlich ist das eher
gleichbedeutend mit Außerirdischer. Ich bin ein Fremdkörper in dieser
Gemeinschaft, jemand, der von Kindern wie Erwachsenen manchmal freundlich,
manchmal misstrauisch bestaunt wird. In jedem Fall macht es einen normalen
Umgang unmöglich. Wirkliche Gespräche entwickeln sich kaum und wenn, dann
bleibt trotzdem eine fühlbare Distanz bestehen, Vertrauen wächst nur
langsam.
Und ein anderer Punkt fällt mir hier auf. Irgendwie scheint es als ob sich
hinter dem lockeren, gelassenen Umgang hier ein Denken in unglaublich
starren hierarchischen Mustern verbirgt. Für die Menschen scheint das
Gefühl
ungewohnt und fast unangenehm zu sein sich auf einer gleichwertigen Ebene
zu
unterhalten, ja zu diskutieren, zu streiten. Es wird vorgezogen, wenn in
der
Situation klar ist, wer die Autorität hat, wer sich unterzuordnen hat. Nur
das erklärt, dass diese gleichwertigen Situationen so selten zustande
kommen, nicht nur mir gegenüber auch untereinander. Entweder man wird
behandelt wie ein Gott, einem wird das Gepäck getragen, die Wäsche
gewaschen
und der Raum gefegt, oder man wird gönnerhaft behandelt wie ein Schüler.
Am
ausgeprägtesten ist diese Autorität in den kleinen Dörfern zu spüren.
Der
Chief ist trotz moderner staatlicher Repräsentanten weiterhin das
traditionelle Oberhaupt einer Gemeinschaft, die Autorität. Das
romantisierte
Bild eines weisen, erfahrenen, alten Mannes finde ich dabei allerdings
nicht
wieder. Eher sind es eigensinnige, um den Macherhalt kämpfende
Patriarchen,
oftmals zerstritten mit Nachbar Chiefs oder der District Verwaltung und
ihre
persönlichen Geschäfte mit den Minengesellschaften machend.
Ihre Autorität wird nur vorsichtig und hinter vorgehaltener Hand
kritisiert,
eine Autorität, die nicht unbedingt durch Geschick und Weisheit erworben
wurde, sondern durch Geburt in der richtigen Familie, Machtkalkül und
hohes
Alter. Ich habe beileibe nicht genug von diesem großen und facettenreichen
Land gesehen um mir wirklich eine Meinung bilden zu können, aber mehr als
je
zuvor halte ich das Festhalten an hierarchischen Strukturen und das
irgendwie damit in Verbindung stehende Fehlen von gesamtgesellschaftlichem,
gegenseitigen Vertrauen für das Haupthindernis bei allen Versuchen
politische oder wirtschaftliche Stabilität zu erreichen oder auszubauen.
Aber zurück zu den Mysterien der Mentalität. Ein weiterer Punkt, der mir
während meines gesamten Aufenthaltes hier immer wieder aufgefallen ist,
den
ich aber nie formulieren konnte, ist die unbegreifliche emotionale
Intensität der Menschen. Alles ist unglaublich intensiv - Freude, Ärger,
Glück, Erstaunen, Hass. Doch ist es keine positive Intensität, keine
Leidenschaft, keine Impulsivität. Vielmehr scheint allen diesen
Gefühlsregungen eine gewisse Aggressivität innezuwohnen. Ich war am
Sonntagmorgen beim örtlichen Fußballspiel, irgendeine halbwegs offizielle
Partie mit begeistertem Publikum. Das Spiel war bestes Beispiel ghanaischer
Lebensart. Unglaublich laut, schnell, dynamisch, faszinierend, für
deutsche
Augen total unstrukturiert aber herrlich anzuschauen. Ein Treffer führte
sofort zum Sturm auf das Spielfeld, zu lautem Schreien, heftigen Schlägen
auf die Rücken der erfolgreichen Spieler, Freudentaumel; bei den
Kontrahenten dagegen führte es zu wutentbrannten Diskussionen, Geschubse,
lautstarken Beschwerden, größter Enttäuschung. Alles in allem eine
Stimmung,
die für mich über leidenschaftliche Emotionalität hinausging – selbst
beim
Fußball. Und diese an Aggressivität grenzende Intensität erlebt man hier
oftmals, sei es dass Musik grundsätzlich so weit aufgerissen wird, dass es
wirklich schmerzt, dass im Autoverkehr trotz sehr freier und gelassener
Fahrweise sich einige wegen totaler Nichtigkeiten fast an die Gurgel gehen,
dass bei normalen Diskussionen auf der Strasse bereits unglaublich wild
geschrien und gestikuliert wird. Als ich vor Wochen im TroTro in Akosombo
saß, schlug eine am Straßenrand schlendernde Schülerin beim Vorbeifahren
mit
einem Zweig auf meinen aus dem Fenster hängenden Arm – ob aus Spaß oder
im
Ernst, ich habe keine Ahnung. Was mich aber mehr erschreckte als diese
kindliche Aktion, war die folgende Reaktion: Als der Mate, der zuständig
für
den Ticketverkauf, die Gepäckverladung und die sonstige Organisation der
Fahrt ist, seinem Fahrer davon erzählte, kehrte er sofort den Wagen, fuhr
zurück zu der Gruppe Schülerinnen, nahm der einen den Zweig ab und
verdrosch
sie damit derart, dass sie nur erschrocken schreien und ich nur regungslos
zusehen konnte. Eine total ruhige Situation war von einer Minute auf die
andere in größte Aggression umgeschlagen. Bei einem anderen ASA-Projekt,
einem Theaterworkshop, tickte einer der Schauspieler aus und trieb die
zuschauenden und immer dichter auf die Bühne drängenden Kinder brutal mit
einem Gürtel zurück. Danach ist dann alles wieder ruhig, nur einem selbst
stockt der Atem, wie plötzlich und unerwartet hier eine Situation
umschlagen
kann. Man sollte hier übrigens auch nicht in einen Unfall verwickelt
werden,
es kommt durchaus vor, daß der Fahrer des schuldigen Unglücksautos hier
gleich vor Ort gelyncht wird – wozu auch auf die Polizei warten…
Unwirklich, brutal und übertrieben klingen diese Horrorgeschichten, die
überhaupt nicht den ghanaischen Alltag widerspiegeln, der grundsätzlich
geprägt ist von Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gelassenheit. Doch
nach einigen Monaten hier werden auch die Risse sichtbar, die Momente, in
denen einem bewusst wird, dass man einige Aspekte der ghanaischen
Mentalität
wirklich nicht versteht - und nie verstehen wird. Bei aller Begeisterung
für
dieses wunderbare Land komme ich in Bezug auf Toleranz und interkulturelles
Verständnis damit oftmals hart an meine Grenzen.
Aber zurück nach Awaso, zurück in die Tiefe ländlicher Langeweile. Nicht
die
ghanaische Seele ist ja schließlich das Mysterium, das es mit teuren ASA
Geldern zu ergründen gilt, sondern das Geheimnis um ein unscheinbares,
rotes
Lateritgestein: Bauxit. Hier in Awaso steht nun also Ghanas einzige
Bauxitmine, der erste Schritt auf dem langen Weg zur Aluminiumproduktion.
Hatte ich erwähnt, dass die Aluminium-Produktionskette, dessen
Auswirkungen
ich hier untersuchen sollte, in Ghana gar nicht existiert? Daß das rote
Geröll nach Kanada verschifft wird, eine Raffinerie nie gebaut wurde, die
Aluschmelze seit 3 Jahren still steht und mein Projekt damit etwas, sagen
wir mal, unfokussiert, dasteht? Aber das nur am Rande.
In Awaso wollte ich mich also auf den ersten Schritt der (imaginären)
Produktionslinie konzentrieren. Dafür stand zuersteinmal ein Besuch der
Mine
an. Auf dem Gelände kann man noch die herrschaftliche Attitüde der
Ursprungsfirma, der British Aluminium Company, erahnen, die während des
Zweiten Weltkrieges aufgrund des besetzten Frankreichs ihren Bedarf an
Bauxit (übrigens von Les-Beaux-de-Provence, dem ersten Fundort in
Südfrankreich) zur Aluminiumherstellung für die Flugzeugindustrie in den
fernen Kolonien decken musste. Auf einem der Affoh Hills, unter denen der
Rohstoff schlummert, thronen der firmeneigene Golfplatz, ein Clubhaus, ein
Tennisplatz, ein Swimmingpool und die Wohnhäuser des Managements. Der
Glanz
ist allerdings verflogen, die Mine heute im Besitz von Alcan (Kanada),
einem
der weltgrößten Aluminiumkonzerne, und dem ghanaischen Staat. Aufgrund
eines
maroden Schienennetzes wird nur die Hälfte der potentiellen Fördermenge
tatsächlich abgebaut, seit drei Jahren schreibt die Ghana Bauxite Company
rote Zahlen. Trotzdem war es interessant alle Arbeitsprozesse
kennenzulernen
und Mitarbeiter zu interviewen. Mein Hauptanliegen war allerdings der
Besuch
der umliegenden Dörfer, die abgelegen von der Hauptstrasse am Fuße der
Affoh
Hills liegen und ohne eigenes Gefährt nur schwer zu erreichen sind. Nach
stundenlangen zähen Verhandlungen konnte ich dann aber doch einem der
Ältesten in Awaso seine schnittige Mofette abschnacken – gegen eine
saftige
Gebühr versteht sich. Und seit diesem Augenblick sind wir beide, meine
silbergraue Suzuka 125 GT und ich, unzertrennlich geworden. Sie hat mich
die
folgenden Tage über haarsträubende Schlaglochpisten zu den entlegendsten
Siedlungen geführt und mir so manches mal ein dickes Grinsen auf die
Visage
gezaubert. Ob jaulende Kinderhorden, steinalte Männer oder drahtige
Kakaobauern, sie alle haben nicht schlecht gestaunt, als der kalkweisse
Obroni auf der mickrigen Mofa über den holprigen Dorfplatz geknattert kam.
Normalerweise empfangen mich ja alle Kinder mit aufgeregten
„Obroni“-Rufen,
doch in diesem Fall klappte den frechen Lümmeln vor Erstaunen einfach nur
schweigend der Unterkiefer runter. Meist hatte ich Raymond, meinen
Übersetzer, im Gepäck, der vor jeder Steigung gezittert haben muss, so
haarsträubend wie wir mit unseren paar PS im ersten Gang auf maximaler
Drehzahl die roten Hügel erklommen haben. Hätte ich zu dem Zeitpunkt
gewusst, dass er schon über 60 ist hätte ich es vielleicht etwas
gemächlicher angegangen… Insgesamt habe ich neben Awaso 7 Dörfer
besucht und
die Bewohner befragt, meist den Chief oder den Ältestenrat. Alles klappte
besser als erwartet, obwohl die meisten misstrauisch sind, da man als
Weißer
automatisch den Bergbau- oder Holzfirmen zugeordnet wird, die als Ausbeuter
empfunden werden.
Auch wenn die Dörfer hier in keiner Weise von den Aktivitäten
profitieren,
sondern unter Landverlust und Umweltzerstörung leiden, ist im ganzen
betrachtet die Lage um die Bauxitmine lange nicht so angespannt wie in den
Goldgebieten. Die Mine ist verhältnismäßig klein, Bauxit für die lokale
Bevölkerung selbst uninteressant (im Gegensatz zu Gold), der Abbau
umwelttechnisch nicht ganz so problematisch wie Goldabbau (da keine
Chemikalien benötigt werden) und lokale Zusammenschlüsse von Minengegnern
sucht man vergeblich. Ich werde also noch ein paar Interviews führen, ein
wenig kartieren und dann zurück Richtung Accra aufbrechen und mich an
fließend Wasser, der frischen Seebrise, meinem Bett, den Kochkünste
meines
Mitbewohners, geistreicher Konversation und einem Internetanschluß
erfreuen.
Beste Grüße
Lars
------- Nachtrag: Nach einem fulminanten 4-0 Sieg ueber Kap Verde am
8.Oktober haben die Black Stars sich endgueltig fuer die WM qualifiziert
und
nebenbei afrikanische Fussballgeschichte geschrieben. „Dream Comes
True“
titelte denn auch sogleich der Daily Graphic. Um der „Revolution in
African
Football“ mit irdischen Mitteln etwas nachzuhelfen wurde vor der
entscheidenden Begegnung jedem Spieler eine gediegene Limousine aus
solider,
bayrischer Produktion in Aussicht gestellt – wie man diesen rollenden
Schweller allerdings durch Ghanas Schlaglochlabyrinth zirkeln soll bleibt
unklar…Ebenfalls kann ich mir die ghanaische Fangemeinde 2006 noch nicht
ganz in Angies verregneter Rentnerrepublik vorstellen – eben noch in
Badeschlappen den rostigen LT durch Accra geschleust, 6 Flugstunden später
vor dem Fahrkartenautomat mit 14 verschiedenen Preissystemen die westliche
Zivilisation anzweifelnd… Egal, auf jeden Fall wird’s für uns dann
gebratene
Banane satt geben und zur Zufriedenheit aller wahren Fussballfans das
Urinieren auf öffentlichen Plätzen endlich zur gesellschaftlichen Norm.
Und auch ich bin wieder im Spiel. Wie die Black Stars habe ich meinen
Gegner
in der zweiten Spielhälfte glorreich bezwungen. Das Duell fand allerdings
nicht im hiesigen Stadion sondern vielmehr in meinem Verdauungstrakt statt
und der Gegner waren nicht 11 halbprofessionelle Sandplatzkicker sondern
zweikampfstarke Typhussalmonellen und eine Hand voll veritabler
Strongyloides stercoralis, in proktologischen Fachkreisen auch Kotälchen
genannt. Meinen Dank möchte ich an dieser Stelle den Hauptsponsoren dieses
Grossevents aussprechen, besonders den Pharmakonzernen Luex (GB)und Ernest
Chemists Limited (Ghana), sowie meinem schizophrenen Leibarzt und
ungarischen Honorarkonsul Dr. Fynn Thompson und ebenfalls dem Verfasser
meiner medizinischen Wunderfibel „Wo es keinen Arzt gibt“. Ohne die
brillianten Genesungstips des letzteren wäre mir sicher langweilig
geworden.
Falls ihr euch mal wieder bewusstlos durch den Hamburger Kneipendschungel
geschlagen habt und morgens schon wie so oft mit quälendem Typhus aufwacht
hier ein paar Tips vom Fachmann:
„Bettruhe bis das Fieber weg ist“ – Bett geht ja, aber Ruhe ist
unvereinbar
mit Ghanas Beerdigungspartytradition, hier werden die Boxen aufgerissen
dass
die Särge hopsen ...
„Handtücher und Bettwaesche taeglich wechseln und abkochen“ –
versuch mal
ein Bettlaken in einen Suppentopf zu kriegen …
„Kot verbrennen und tief vergraben“ – spätestens als sich meine
Spitzhacke
in den holprigen Betonweg vorm Haus grub, kamen mir leise Zweifel an der
Umsetzbarkeit …
Die Strongyloides stercoralis sind übrigens ganz faszinierende Gesellen.
Diese scheuen Tierchen fühlen sich während ihrer ersten Lebensphase
besonders im feuchten Erdreich mächtig wohl, bevor sie sich dann getrieben
von der Sehnsucht nach Weite und Unabhängigkeit über die Haut
ahnungsloser
Barfüßlinge auf den Weg zum menschlichen Verdauungstrakt machen. Ihre
Reise
nimmt dann allerdings ein jähes Ende, wenn Sie dort von einer veritablen
Dosis Amendazole aus arabischer Produktion niedergestreckt werden. Chemie
kann so wunderbar sein…
Die Tage der Genesung gaben mir die Möglichkeit noch mal über dieses Land
zu
reflektieren, seine Kultur, seine Menschen, seine Mysterien. Und da sind
meine Gedanken auch gleich an zwei ungeklärten Geheimnissen ghanaischer
Kultur hängen geblieben:
1. Die weitestgehend unerforschten Gesetzmäßigkeiten des berüchtigten
Pfandflaschenhandels. Mal abgesehen davon, dass man nur unter
scharfsinnigster Argumentation den Getränkeverkäufer davon überzeugen
kann,
gegen Rückgabe einer leeren Fantaflasche eine volle Coca-Cola oder –
schlimmer – eine volle Fanta für eine leere Pepsi zu bekommen, bleibt
vor
allem unklar, wie der Ghanaer seine erste Getränkeflasche erhält. Ohne
leeres Behältnis als Tauschobjekt ist man nämlich so gut wie macht-, bzw.
getränkelos. Ich trage weiterhin die Hoffnung in mir einer bislang
unbeobachteten traditionellen Flaschenübergabe beizuwohnen. Ich glaube
hier
einem Initiationsritus auf der Spur zu sein, den die ethnologische
Forschung
bislang total negiert hat.
2. Die ebenso unerforschten wie faszinierenden Gesetzmäßigkeiten
ghanaischer
Konversation. Hier einige bildhafte Beispiele:
a) „Wieviel kosten die Bananen?“
„Yes.“ (Auch bei wiederholter Anfrage und geschickter Umformulierung.)
b) „Wissen Sie wie viele Einwohner das Dorf hat?“
„Ja, selbstverständlich.“
„Wieviele?“
„Sehr viele.“
„Wieviele genau?“
„Sehr, sehr viele.“
„Wissen Sie die Anzahl?“
„Hm, na ja, so ungefähr 4376.“
c) „Was haben Sie zu essen?“
„Alles.“
„Dann nehme ich Plantanes.“
„Die sind aus.“
„Haben Sie Reis?“
„Ja.“
„Dann Reis.“
„Ist aus.“
„Yam?“
„Ja.“
„Dann eben Yam.“
„Ist alle.“
d) „Ich suche die Post. Muss ich hier rechts?“
„Oh, ja.“
„Oder links?“
„Selbstverständlich.“
e) „Verzeihung, kann ich Sie was fragen?“
„Danke, gut.“
Da ich einige Wochen nicht arbeitsfähig war, sind wir mit unserem Projekt
nicht viel weiter gekommen – und die Zukunft sieht düster aus. Von einem
strukturierten Arbeiten kann bisher nicht gesprochen werden, da sich die
zur
Zeit anstehenden Behördengänge als zeitaufwendiges Unterfangen
herausstellen. Hat man sich durch den Institutionendschungel gekämpft und
den obligatorischen Anfragebrief abgegeben muss man im Normalfall noch vier
Mal wieder kommen um die erwünschten Auskünfte zu bekommen. Ich konnte
aber
von der Minerals Commission, dem Survey Department, der Environmental
Protection Agency und der Chamber of Mines recht nützliche Informationen
zusammentragen.
Leider hatte ich ein paar kleine Meinungsverschiedenheiten mit meiner
gastgebenden Organisation (FIAN), O-Ton: Lars: „Ich glaube wir haben
manchmal ein Kommunikationsproblem“ – Mike: “Nein, es gibt kein
Kommunikationsproblem.“ Soviel zur ghanaischen Argumetationskunst… .
Für morgen ist nun der Besuch im Minengebiet geplant. Das heisst nach
einem
9-Stunden-Ritt über Ghanas Wellblechpisten erwartet uns eine total
isolierte
Minenstadt. Vier Wochen waren für Befragungen, Besichtigungen, Fotos etc.
angesetzt. Nachdem Mike mir letzte Woche abgesagte (angeblich keine Zeit
und
keine finanziellen Mittel), hat mir gerade vor zwei Stunden Julija, meine
Projektpartnerin, eröffnet, dass Sie morgen nach Hause fliegt. Ihr geht es
nicht gut und Sie will nicht in Ghana bleiben. Zugegeben, ich habe vor
Frust
fast unseren Mob gefressen. Und ich war kurz davor alles hinzuschmeissen.
Aber nun geht’s wieder. Werde morgen also allein starten, keine Ahnung,
was
mich erwartet. Hoffe die Bauxit-Mafia ist gnädig mit mir…
Bis bald
Euer Lars
von meinem favorisierten Kieler Nordlicht Lars (auch Glen Projekt).
Viel Spass beim lesen
Peter
5.9.2005
Tach, tach!
Hier kommen mal wieder die Ghana-News, Euer Draht ins Herz West-Afrikas!
------Eilmeldung: Nach einem aufregenden und von
Übertragungsschwierigkeiten
überschatteten Duell in der Ashanti-Hauptstadt Kumasi ist es nun endlich
so
weit: Die Black Stars, Ghanas Sandplatzhelden, haben heute die Elf von
Uganda mit 2:0 besiegt und sich damit so gut wie qualifiziert für die WM
2006. Liebe Kickerfreunde unserer Altonaer Stammelf, daran solltet Ihr Euch
ein Beispiel nehmen. Frei nach dem Motto des Hauptsponsors, den örtlichen
Goldminen: Shaping a Dream. Aber dazu unten mehr…---
Ersteinmal vielen Dank an alle die ein paar Zeilen in mein schwül-heisses
Exil geschickt haben. Ich werd versuchen Euch zu antworten, aber
wahrscheinlich bleibts doch nur bei dem Massenprodukt hier. Bin einfach
nicht so oft im Internet.
Seit der letzten mail habe ich Gelegenheit gehabt die Küstenregion
westlich
von Accra zu bereisen und gleichzeitig der hektischen Hauptstadt ein wenig
zu entfliehen. Da ich die berüchtigte Schlaglochroute Richtung Takoradi
mit
ein paar Bekannten im Taxi zurückgelegt habe, bekam ich endlich die
Gelegenheit, das hiesige MAUT-System genauer kennenzulernen. Und ich kann
nur sagen: Hut ab, da kann sich Deutschland eine Scheibe abschneiden. Das
System ist verbraucherfreundlich und höchst flexibel. Einfach den in
lockeren Abständen von etwa 40 Km entspannt am Strassenrand lehnenden
Uniformierten die Fahrzeugpapiere samt passender Gebühr überreichen und
weiter geht’s. Keine lästige Technik, kein Papierkrieg, kein langes
Warten,
dafür gewähren eine rasche Bedienung und der zuvorkommende Kontakt zur
Staatsgewalt eine hohe Kundenzufriedenheit…
Die gesamte Küste Ghanas ist eigentlich ein Paradies. Ein einziger
langer Sandstrand, mit Palmen, herrlicher Brandung und idyllischen
Fischerdörfern. Adäquate Strandnutzung wird hier zumeist allerdings
anders
interpretiert als es der ahnungslose Nordsee-Urlauber erwartet. Und so
erfährt das exotische Bild am Strand hockender, freundlich lächelnder
Einheimischer eine unerwartete Wendung, wenn man realisiert, dass man
gerade
bei ihnen durchs Scheisshaus stiefelt. Aber wie so oft: man gewöhnt sich
an
alles und letztendlich findet man immer einen Streifen Freiheit, an dem man
von Südsee-Romantik träumen, frische Kokosmilch trinken und dem Getrommel
bekiffter Rastas zuhören kann.
Nach einer wiederum erfolgreichen – weil lebendig überstandenen -
Irrfahrt
mit dem landesüblichen Transportmittel, dem TroTro, und einige
Bandscheibenvorfälle und Nah-Todes-Erlebnisse später bin ich dann wieder
in
Accra angekommen, von wo ich sogleich mit FIAN zu einer Reise in die
Goldminen-Gebiete aufgebrochen bin. Ach ja, FIAN. Für alle die keinen
Schimmer haben, was ich hier eigentlich soll, mal ein paar Worte zu meinem
Projekt:
Ich bin hier organisatorisch FIAN Ghana zugeordnet, der nationalen
Abteilung
einer internationalen Menschenrechtsorganisation, die sich insbesondere
für
das Recht auf Nahrung und Wasser einsetzt. In diesem Zusammenhang arbeiten
sie seit einigen Jahren mit Kommunen zusammen, die von Bergbauaktivitäten
betroffen sind. In Ghana sind viele internationale Bergbaukonzerne tätig,
insbesondere im Goldgeschäft. Zwischen ihnen und den traditionellen
Landbesitzern kommt es dabei zu vielen Konflikten. In erster Linie soll ich
mit meiner Projektpartnerin die Kommunen einer benachbarten Bauxitmine im
Südwesten Ghanas untersuchen, indem wir mit der Bevölkerung sprechen und
Umweltverschmutzungen, Vertreibungen, Probleme bei Kompensationszahlungen
und Umsiedlungsmassnahmen oder Übergriffe seitens des Sicherheitspersonals
dokumentieren und publik machen. In zweiter Linie will ich zu dem Thema
meine Diplomarbeit schreiben, die sich irgendwie um die
politisch-ökologische Analyse eines Umweltkonflikts und soziale
Verantwortung von Unternehmen drehen könnte. D.h. es ginge darum einen
Umweltkonflikt unter politisch-ökonomischen sowie sozialen Gesichtspunkten
zu untersuchen: Für wen ist was eine natürliche Ressource, wie ist der
Zugang machtpolitisch strukturiert, auf welcher Maßstabsenene sind die
Akteure angesiedelt, nach welcher politischen und ökonomischen
Rationalität
agieren sie, und welche Konfliktstrategien verfolgen sie. Das ist aber
alles
verdammt vage, also einfach wieder vergessen und nicht weiter drüber
nachdenken – ist auch mein Verfahren gerade…
Auf unserer Tour zu den Goldminen haben uns drei Mitarbeiter von FIAN
Deutschland begleitet. Wir konnten mit verschiedenen Kommunen sprechen und
einige Minen besichtigen. Dabei haben wir uns in den südwestlichen Teil
Ghanas begeben, ein Gebiet, das fernab von der im Vergleich dann plötzlich
fast europäischen Hauptstadt liegt. Die Minenstädte sind eine ganz andere
Welt. Dreckige, isoliert mitten im Regenwald gelegene Arbeitersiedlungen,
ohne befestigte Strassen, industriell, laut und ohne jedes exotische Flair.
Der Regen macht sie zu roten Schlammlöchern, irgendwie ist es fast immer
dunkel.
Die Situation in den kleinen Dörfern am Rande der Minen war sehr
unterschiedlich. Mal traf man auf Minen, die scheinbar um Konsens bemüht
sind und für adäquate Umsiedlungen sorgen, mal fressen sich die Gruben
einfach in Ortschaften herein, reissen ohne Ankündigung Häuser ab,
vergiften
Flüsse und Grundwasser. Oftmals werden durch Absprachen oder Schmiergelder
mit den Chiefs, den traditionellen Oberhäuptern, Schürfrechte
erschlichen,
die Bevölkerung vertrieben. In einem der Dörfer trafen wir einen
23jährigen
Jungen, der bei dem Versuch illegal auf Minengelände Gold zu schürfen,
von
Wachpersonal und Polizei angeschossen wurde. Die Minengesellschaft hat
versucht alles zu vertuschen. Nach Gesprächen mit den Ärzten und der
nervösen und auf Nachfragen ausweichenden Minengesellschaft will FIAN nun
Versuchen den Fall publik zu machen und u.U. an Amnesty International
weitergeben. Soviel zum Thema Shaping a dream…
In anderen Fällen wiederum sind Firmen einigermaßen ernsthaft bemüht
ihrer
sozialen Verantwortung nachzukommen, dann scheitern die Projekte aber oft
an
dem Aufeinandertreffen sehr unterschiedlicher Rationalitäten: die
naturwissenschaftlich geprägte, marktwirtschaftlich orientierte, auf
Effizienz und Gewinnmaximierung abzielende Rationalität der Konzerne auf
der
einen Seite, die traditionelle, durch Solidarität und Gemeinschaftsgefühl
geprägte, auf Subsistenz abzielende Rationalität der lokalen Bevölkerung
auf
der anderen. Vermischt ist das alles u.U. mit Grabenkämpfen innerhalb der
Gemeinschaften, zwischen chiefs und Gemeinderäten, zwischen Kleinbauern
und
Goldschürfern, zwischen Eliten und Marginalisierten.
Ein ziemliches Durcheinander, jedenfalls nach meinem ersten Eindruck. Es
ist
wahnsinnig schwer die Konfliktlinien klar zu erkennen, man trifft auf viele
Meinungen und wenig Verlässliches. Aber all das macht es auch irgendwie
interessant.
Ich habe diese Tour Samstag abgebrochen, ich brauchte eine Pause von
all diesen Konflikten, Problemen und Projekten.
Werde also erstmal verschnaufen und dann Mittwoch wieder meine Sachen
packen
und für ein paar Tage Richtung Togo und Benin aufbrechen. Dort habe ich
dann
endlich die einzigartige Gelegenheit mein brilliantes Französisch an den
ahnungslosen Togorianer (?) zu bringen…
Wie auch immer, melde mich demnächst wieder, haltet die Stellung.
Gruß Lars
PS: Wer Selbstmord in Gemeinschaft sucht sollte sich mein letztes TroTro
mal
genauer ansehen: Der stotternde LT rotzte einfach seine Ladung volle Kanne
ins Fahrerhaus, so dass der freundliche Herr am Steuer beim Anfahren am
Berg
im grauen Dunst verschwand und meine Lunge eine Deckschicht Grobstaub
abbekam. Der gemeinschaftliche Suizid durch Vergiftung ist dabei schon für
schlappe 1000 Cedis (10 Cent) zu haben…
27.9.2005
Ja, verehrte Leserschaft, ich weiss, lange habe ich nichts von mir hören
lassen. Ich bin derweil weder von Aufständischen in Togo entführt worden,
noch bin ich mit einer Strandschönheit in Benin durchgebrannt; der Grund
ist
einfach, dass ich eine Woche mit Fieber und allen anderen erdenklichen
tropischen Flüchen an mein Bett gefesselt war - eine Woche, die mir wie
ein
Monat vorkam und die an meinen Nerven gezerrt haben.
Dabei fing der September so vielversprechend an. Aus einem kurzen Abstecher
ins Nachbarland Togo ist ein längerer Trip geworden, der weiter nach Benin
führte und beinahe noch Nigeria angeschlossen hatte. Zu dritt waren wir
unterwegs, meine beiden ungarischen Gefährten und ich. Nach einem
abenteuerlichen Grenzübertritt, gesäumt von wenig seriös aussehenden,
dafür
aber sehr ernst dreinschauenden Militärs sind wir in das noch vor kurzem
in
den Schlagzeilen zu fragwürdiger Berühmtheit gelangte Togo eingefallen.
Zur
Zeit ist die Lage aber entspannt, so entspannt wie die Leute in ihren
bunten
Pyjamas. Man bemerkt sofort den Unterschied zu Ghana, die Menschen sind die
Ruhe selbst, weniger aufgeregt, fröhlicher, das Leben trotz wiedriger
Umstände geniessend. Man kommt nicht umhin den französischen Einfluss und
das Savoir-vivre dafür verantwortlich zu machen; Dinge, die man sich jetzt
-
zurueck im lauten, chaotischen Ghana - manchmal so sehr wünscht. Ausserdem
ist Togo Roller-Land. Ganz Südeuropa hat wohl seine Vespa-Flotte in die
ehemalige deutsche Kolonie verfrachtet und so trifft man überall auf
piekfeine Sprints, Rallys und Primaveras – paradiesisch…
Im völlig überladenen Buschtaxi, einem schrottreifen Peugot 506, ging es
nach Besuchen in Lomé und Togoville weiter nach Benin. Der Plan nach
Nigeria
weiterzureisen zerschlug sich dann leider – zu unsicher die Lage in
diesem
Chaosland, die Informationen des Auswärtigen Amtes lasen sich wie
Kriegsberichte und füllten mehrere Seiten…
Dafür ging es dann zurück nach Ghana und auf einem rostigen Kahn von
Akosombo aus über den Volta-See gen Norden. Zwei Tage dauerte die Tour
nach
Yeji, zwei Tage, die wir meist auf dem Dach verbrachten, schweigend,
rauchend, in den Himmel starrend. Wunderbar. Weiter ging es in brennender
Hitze auf dem übel schaukelnden Dach eines steinalten Bedford-Lkw. In
Tamale, hoch im muslimischen Norden des Landes, verbrachten wir einige
schöne Tage, die aber bereits begleitet wurden von ersten
Krankheitserscheinungen. So richtig erwischt hat es mich dann auf dem
Rückweg in Kumasi. Atilla, ungarischer Hunnenkönig und meine Begleitung
auf
dieser Odyssee, warnte mich noch vor dem Anblick der jämmerlich
dreinschauenden Fischauslage in der quirligen Ashanti-Hauptstadt. Doch der
Hunger war größer. Ich durfte mich seitdem mit Fieber, Durchfall,
Magenschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen rumschlagen und auf der
katastrophalen Rückreise im TroTro sowohl einige sanitäre Topadressen des
westlichen Regenwaldgebietes als auch später in Cape Coast und Accra zwei
medizinische Musterhäuser kennenlernen. Und das geht hier so:
„Das ist der Lars. Lars ist krank. Nein, nicht im Kopf, sondern im Magen.
Der Lars hat Durchfall und Fieber. Also geht der Lars zum Arzt. Aber das
geht natürlich nicht einfach auf Krankenschein und schwuppdiwupp, nein,
wir
sind ja in Afrika und der Lars ist ja zum Spass hier. Also darf er an einem
Spiel teilnehmen. Heißt Krankenhaus, das Spiel. Lars zahlt bei Spielbeginn
zuersteinmal eine saftige Gebühr. Dafür bekommt er aber auch eine klasse
Spielkarte. Sogar mit seinem Namen drauf. Toll. Dann lässt er sich von
einem
ergrauten Militärsanitäter das ranzige Thermometer unter den Arm jagen
(das
nach etwa 1,5 Sekunden die Vermutung auf akute Leichenstarre bestätigt),
noch toller. Im Warteraum zieht der Lars die D 152 aus einem bunten
Automaten. Ist sicher eine tolle Spende aus Europa, da weiß der Lars
endlich wo seine Entwicklungshilfemoneten hingehen. Nur zur Sicherheit
fragt er das Fachpersonal nach dem Wartesystem (worauf er im Normalfall
immer ein unglaublich freundliches „Ja“ erhält – egal, welche
ausgefeilte
Fragetechnik er aus dem Ärmel zaubert). Super. Aber Lars hat ja Zeit, er
wartet einfach weitere zwei Stunden bis er intuitiv das viergliedrige
Schlangenlabyrinth vor den Sprechzimmern durchschaut. Ist ja wie Reise nach
Jerusalem. Das kennt der Lars von Zuhause, super. Daraufhin gliedert er
sich
gegen die Hospitalregeln auflehnend in eine der rotierenden Reihen ein,
vertilgt unterdessen die lustige D 152 und wartet erneut drei Stunden. Was
für ein Spaß. Da rückt er auch schon auf „Los“ vor und hört dann
nach
insgesamt einem halben Tag vom grinsenden weißen Onkel, dass man Bluttests
nicht machen kann – ist doch Samstag und die Laborbelegschaft muss ja
auch
mal frei haben. Moppelkotze, denkt der Lars. Da war das Rumsitzen ja
umsonst. Nein, sagt der Onkel Doktor, dann bekommt der Lars einfach
prophylaktisch die Malariadrogen reingeprügelt und noch allerlei andere
Mittelchen obendrauf. Ein bisschen Schmerzmittel, ein wenig Blut-Tonic, ein
bisschen Antibiotika und noch mal Fiebersenker – die schaden nie. Super,
denkt der Lars. Das ist ja ein richtig modernes Krankenhaus. Und zuhause
kann er nun eine Drogerie aufmachen. Dann hat sich das Warten jedenfalls
gelohnt…“
Nun denn, ich hatte keine Malaria, kein Typhus keine Salmonellen. Es wird
für immer das Geheimnis des ghanaischen Gesundheitssystems bleiben, was
mich
hier niedergestreckt und mir jede Energie geraubt hat. Dafür habe ich zum
ersten Mal keinen Bock mehr auf Ghana gehabt, keinen Bock mehr auf
stinkende
Gehsteige, auf fettgetränktes Essen, auf das ewige Handeln bei jedem
Geschäft, keinen Bock mehr auf brennende Hitze und Dauerschweiss, auf
Musikbeschallung in Turbinenlautstärke und Endlosschleifen des Sommerhits,
keinen Bock mehr auf Menschen, die so verdammt gleichgültig sind aber bei
der nebensächlichsten Scheisse ihre Nachbarn lynchen, Menschen, die jeden
Weissen entweder bescheissen oder ihm unterwürfig nach dem Maul reden,
Menschen, die immer und zu allem „Ja“ sagen, aber „Keine Ahnung“
meinen.
Meine Stimmung war also auf einem fulminanten Höhepunkt, das
Rückflugticket
schon fast eingelöst. Irgendwie versuche ich nun seit einigen Tagen wieder
die Kurve zu kriegen, schliesslich hat gestern die Projektarbeit begonnen.
Doch so richtig will sich die Motivation noch nicht einstellen. Bauxit –
als
ob es nichts Wichtigeres auf dieser Welt gäbe.
Aber ich bin sicher, es wird schon wieder. Und solange spiele ich mit
meinen
lustigen bunten Pillen…
Also, was ihr auch macht, geniesst die banale Einfachheit des deutschen
Alltags, geniesst saubere Gehwege, pünktliche Treffen, gesetzlichen
Lärmschutz, Gesundheitssysteme, Öffentlichen Nahverkehr, frische Luft,
ehrliche Antworten, die Tagesschau, feste Preise, sauberes Trinkwasser,
unsichtbare Abwassersysteme, einigermaßen ehrliche Polizeikräfte,
gemäßigte
Temperaturen, Küssen auf der Straße, bequeme Betten, Harald Schmidt,
Tiefkühlpizza, saubere Strände, Waschmaschinen, Rezeptpflicht,
Hallenfussball und freie Wahlen.
Bis bald
Lars
6.10.05
Nach einer Woche zurueckgewonnener Lebenskraft und Motivation hats mich
leider wieder erwischt, die tropische Exotik kann durchaus ruecksichtslos
sein. Diesmal habe ich aber jedenfalls einen verlaesslichen Laborbefund:
ich
habe Typhus und eine Wurminfektion im Darm. Klingt nach Spass, gell? Nicht
so ganz. Aber ich bekomme hier die volle Antibiotika-Artillerie, so dass
ich
bald wieder fit sein sollte. Das Projekt liegt aber natuerlich auf Eis,
Neuigkeiten sind die naechsten Tage eher duenn gesaet, meine Motivation zu
schreiben ohnehin im Keller.
Bis demnaechst
Lars